Andacht für 2023

Du bist ein Gott, der mich sieht Genesis 16, 13

Quellen und Augen haben etwas gemeinsam: Wasser rinnt aus ihnen. Bei einer Quelle sitzt die Sklavin Hagar der Wüste. Die Quelle ist für sie ein Auge Gottes geworden. Sie nennt den Ort: Brunnen des Lebendigen, der mich sieht. Einen Engel hatte sie getroffen, der frug sie nach ihrem Namen. Hagar. Aber seinen eigenen Namen nannte er nicht. Darum nennt sie ihn: Gott, der mich sieht. Dem Engel hatte sie es geklagt: Die vielen kleinen Demütigungen, das Mobbing. Bis sie es zuletzt nicht mehr ausgehalten hatte. Sie floh, schwanger wie sie war, in die Wüste. Und war sich sicher, dass niemand sie vermissen würde, nicht ihre grausame Herrin Sarai. Nicht Abram, der sich über sie hergemacht hatte, damit er einen Nachkommen hätte. Und dem sie jetzt egal war.
Wer sie aber gesucht hatte und gefunden hatte, das war der Engel Gottes. Das gibt Kraft: Gott hat mich gesehen. Er sieht mich weiter. Er kennt mich und gibt auf mich acht. Das gibt solche Kraft, dass sie ihr Schicksal wieder annimmt. Sie kehrt zurück zu Abram und Sarai. Sie trägt sein Kind aus in einer Familie, zu der sie nie richtig dazu gehören wird und in der die Konflikte weiter schwelen.
Gesehenwerden, das tut gut. Ich glaube, es ist gut, für uns und unsere Gemeinden, wenn wir nicht auf Wüstenengel warten, die geheime Quellen auftun. Sondern wenn wir uns selbst auch in der Kunst des Sehens üben. Oder Gott bitten, unsere Augen zu öffnen.
Szenenwechsel: Es ist ein schöner Spätsommerabend, mit einer Bekannten radle ich durch Berlin. Die Stadt hat weder Kosten und Mühen gescheut und uns die herausragenden Gebäude bunt erleuchtet. Phantasievolle Gemälde erstrahlen auf den Fassaden unter den Linden. Die Nacht ist bunt. Humboldt-Uni, Brandenburger Tor. Die Siegessäule endlich leuchtet als Regenbogen. Ich denke mir: „Na toll, muss das sein, dass man das noch draufsattelt…? Kann man nirgendwo mehr hinfahren, ohne dass man mit queerer Identitätspolitik konfrontiert wird?“ Doch ich verkneife mir meinen Gedanken, als ich höre, wie begeistert meine Begleiterin ist. Es ist ihr ein Fest. Sie freut sich über den Regenbogen als Zeichen von Freiheit und Solidarität. Sie nimmt es persönlich. Denn sie ist mit einer Frau verheiratet. Okay, denke ich mir, sie fühlt sich gesehen. Und ich fühle mich ertappt. Ich habe anscheinend noch immer nicht genug hingeschaut.
Es gibt Themen, mit denen man zu schnell fertig ist – solange man nicht betroffen ist. Man ist in Gefahr zu übersehen: Weil man die Macht hat – wie Abram und Sarai höher standen als die Sklavin Hagar. Oder weil man einfach zur Mehrheit gehört und sich darum für normal hält und sich ärgert, wenn es zu bunt wird.
Welche Menschen oder Gruppen gibt es, von denen Sie sagen würden: die haben wir nicht genug im Blick?
Die Jahreslosung 2023 ist der Seufzer Hagars: „Du bist ein Gott, der mich sieht.“ (1. Mo 16,13). Mögen unsere Gemeinden Quellorte werden, in denen Menschen diese Erfahrung machen. Hier werde ich gesehen.

Ein frohes gesundes neues Jahr wünscht

Ihr Superintendent des Kirchenkreises Apolda-Buttstädt Dr. Gregor Heidbrink

Andacht für November 2022

Ein Tag zum Nachdenken

Buß- und Bettag…vielleicht können wir uns noch erinnern an Kindertage. Langweilig…die Geschäfte mitten in der Woche geschlossen, die Straßen leergefegt, getragene klassische Musik im Radio und dann auch noch graues Novemberwetter. Die einzigen Lichtblicke waren der Braten zum Mittagessen und der anschließende Spaziergang mit den Eltern – auch nicht das, was mich als Kind vom Hocker gerissen hätte.

Heute ist der Buß- und Bettag (außer in Sachsen) ein ganz normaler Mittwoch. Die Kinder gehen zur Schule, die Erwachsenen zur Arbeit, die Geschäfte haben geöffnet, normale Betriebsamkeit. Und ich sehne mich nach einem arbeitsfreien Buß- und Bettag zurück. Nach einem Tag, an dem ich Zeit und Ruhe habe, mein eigenes Leben und das, was ich tue, zu hinterfragen. An dem ich darüber nachdenken kann, wo ich auf einem guten Weg bin und wo nicht, und darüber, ob ich manches vielleicht aus eigener Kraft ändern und umkehren kann. Klar, über mich und mein Leben nachdenken – das kann ich an jedem freien Tag auch, aber ein gemeinsamer Feiertag ist eine besondere Chance.

Ein guter Freund sagte mir einmal: „Mensch, dieses ewige Gerede von menschlicher Schuld und Sünde – das macht mich noch ganz depressiv. Gott hat uns doch so gemacht. Wieso soll ich mich immer so schrecklich schuldig fühlen?“ „Sollst du gar nicht“, konnte ich ihn überzeugen. „Nur ab und zu gucken, ob du nicht was korrigieren kannst. Denn Gott liebt uns, wie wir sind. Aber er traut uns zu, dass wir uns verändern können.“ (Ulrike Berg)

Mit herzlichen Grüßen Ihre Pfarrerin Evelin Franke

Vergeben statt vergessen

Einem Menschen vergeben heißt nicht, das, was er getan hat, für ungeschehen erachten, nicht wahrhaben wollen oder schlicht vergessen. Vergeben kann unter Umständen bedeuten, gerade nicht zu vergessen. Vergeben heißt: die Vergangenheit eines anderen keinen Einwand dagegen sein lassen, dass ich ihn nicht annehme. Vergebung heißt nicht das Ja zu einer vergangenen Schuld, wohl aber das Ja zu einem Menschen mit seiner vergangenen Schuld.

(Otto Hermann Pech)

Martinsfeiern im Kirchspiel

Am Donnerstag, 10.11.2022 17 Uhr Willerstedt Start: Kirche mit anschl. Laternenumzug

Am Freitag, 11.11.2022 17 Uhr Buttstädt: Start an der Kathol. Kirche anschl. Laternenumzug zur ev. Kirche

Am Samstag, 12.11.2022 17 Uhr Hardisleben: Start in der ev. Kirche anschl. Fackelumzug und dann Einladung zu Rostwurst und Getränken

Andacht für September und Oktober 2022

Glauben ist wie Küssen

Christen sollen einander küssen, fordert die Bibel immer wieder:“ Grüßt einander mit dem heiligen Kuss“( Röm.16,16) oder „Grüßt einander mit dem Kuss der Liebe“ (1. Petrus5.14)

Ja, Sie haben richtig gehört: Glauben ist wie Küssen. Ihren letzten Kuss schmecken Sie vielleicht noch auf den Lippen – aber erinnern Sie sich auch noch an Ihren allerallerersten Kuss? Der liegt sicher schon einige Zeit zurück. Ist ja auch kein Wunder, denn Küssen und Glauben tun wir schon viel länger als wir denken.

Was waren das damals für Kinderküsse voller Inbrunst und Spucke! Ein ganzes Kinderleben steckt in so einem Kuss – und manchmal auch noch ein Rest vom letzten Schokokuss. Und wissen Sie auch noch, was Sie damals geglaubt haben?

Heute ist alles anders: sowohl beim Küssen als auch im Glauben. Wir sind erwachsen geworden – und unsere Küsse und unser Glauben auch. Und beide haben sich dabei verändert. Wir Erwachsenen können nicht mehr so küssen wie als Kind. Und wir Erwachsenen können auch nicht mehr so glauben wie als Kind.

Vielleicht haben wir es auch einfach vergessen oder verlernt. Manchmal gab es da auch schlechte Erfahrungen, die überhaupt keinen Spaß gemacht haben und keine Lust auf mehr. Und in Zeiten von Corona mussten wir mit dem Küssen ohnehin sparsam umgehen.

Dann müssen wir es heute vielleicht noch einmal neu probieren – und herausfinden, wie sich das denn jetzt so anfühlt und ob es eigentlich immer noch so geht wie damals. Geht es natürlich nicht, weder beim Küssen noch beim Glauben.

Und in Zukunft wird es übrigens noch mal ganz anders werden: Oder meinen Sie, dass Sie in – sagen wir mal dreißig Jahren –noch genauso küssen und das Gleiche glauben wie heute? Wer noch weiter denken will, kann sich auch den letzten Kuss vorstellen: ein Abschiedskuss kurz vor dem Tod – und was man dabei dann wohl glaubt.

Und noch zwei Dinge sind beim Küssen genauso wie im Glauben: Beides kann man nur schlecht allein: Glauben kann ich zwar mal allein probieren, aber wirklich befriedigend ist das nicht. Und beides geht nicht auf Kommando – jedenfalls nicht ehrlich und nicht wirklich gut.

Glauben ist eben wie Küssen. Denken Sie daran beim nächsten Kuss! Ein ganz anderer Kuss findet sich im Psalm 85 „ Gottes Hilfe ist nahe“, heißt es da, „dass Friede und Gerechtigkeit einander küssen“. Das wäre ein Kuss, der die Welt verändert.

Mit Gruß und Kuss Ihre Pastorin Evelin Franke

Foto: Pixabay

 

Kirchenjahr – Johannistag

24. Juni – Johannistag

 

Als im 4. Jahrhundert der Weihnachtstermin festgelegt wurde ergab sich ein halbes Jahr vorher auch der Termin für das Fest zur Geburt Johannes des Täufers. Da dieser Termin in unmittelbarer Nähe zur Sommersonnenwende lag, verknüpfte sich manches Brauchtum der Sonnenwendfeier mit dem des Johannistages. Am bekanntesten scheint das Johannisfeuer zu sein. Es ist ein seit dem 12. Jahrhundert belegte Brauch. Das Feuer soll Dämonen und Hagelschäden abwehren. In einer christlichen Legende wird das Johannisfeuer so gedeutet:
Die Schergen des Herodes suchten Johannes und wollten sich mit einem Feuer das Auffinden des Täufers signalisieren. Die Freunde des Johannes erfuhren davon und ließen in der Gegend viele Feuer aufflammende. So wurden die Soldaten verwirrt und Johannes war gerettet.

Ab dem 24. Juni werden die Tage wieder länger, dies wurde auf den Ausspruch im Johannesevangeliums 3,30 gedeutet: „Er (Jesus) muß wachsen, ich aber muß abnehmen“.

Da um den Johannistag herum die Natur voll erwacht ist, tragen auch manche Pflanzen Johannis in ihren Namen. Die bekannteste ist wohl das Johanniskraut. Es heißt, es sei an der Stelle gewachsen wo das Blut des Täufers in die Erde sickerte. Und tatsächlich: wenn Sie eine dieser Blüten zwischen den Fingern zerreiben färben sich Ihre Finger rot.

Weit verbreitet war früher das Backen von Johanniskuchen. Im Elsass wurde er am Festtagsmittag in noch warmem Zustand vom Backhaus nach Hause getragen, woher die Redensart „Hans Dampf in allen Gassen“ stammt.

Ihr Pfarrer J. Schmidt