Andacht für Oktober und November 2023

„Alle gute Gabe kommt her von Gott dem Herrn. Drum dankt ihm dankt und hofft auf ihn.“ So lautet der Refrain des bekannten Erntedankliedes von Matthias Claudius – Wir pflügen und wir streuen.

Liebe Gemeinde, das Fest zu „Erntedank“ ist wohl fast so alt wie die Menschheit selbst, denn seit Menschen sesshaft wurden, versuchen diese, ihre Umgebung urbar zu machen und der Erde ihren Lebensraum abzuringen, in Bahnen zu lenken, berechenbarer zu machen, kurz: zu bebauen. Dabei ist der Mensch unermüdlich und reichlich kreativ und erfinderisch. Gleichzeitig macht er auch immer wieder die Erfahrung, dass Sorgen, Mühen und Pflegen ihre Berechtigung und auch ihre Notwendigkeit haben, zugleich aber Wachsen und Gedeihen letzten Endes unverfügbar bleiben. Der Dank, der dieser Erkenntnis folgt, hat im Glauben eine Adresse. – „Na, heute schon gedankt?“ Gedankt – nicht als Reaktion auf den mahnenden Zeigefinger „Was sagt man?“ sondern als Herzensangelegenheit, als tiefes inneres Bedürfnis. Dank bedeutet abschließen zu dürfen: Es ist gut. Ich habe meinen Teil getan. Gleichzeitig weiß ich, Gott, es ist nicht einzig mein Verdienst, was mir geschenkt ist an Wachsen und Werden.

„Na, heute schon gedankt?“- Ich habe es nicht einzig in der Hand. Wachsen und Werden heißt immer auch Lassen und am Ende als Geschenk annehmen können, was geworden ist. Matthias Claudius beschreibt es ganz poetisch: Wir pflügen und wir streuen den Samen auf das Land, doch Wachstum und Gedeihen liegt in des Himmels Hand. Und gerade in diesem Jahr erlebe ich den Dank sehr bewusst. Wenn ich mir die großpolitische Lage in der Welt ansehe und von Erdbeben und Fluten höre und sehe, merke ich ganz schnell: es ist eben nicht selbstverständlich, dass wir ernten dürfen, von dem, was gesät ist. Es tut mir gut zu wissen, dass all mein Dank nicht ins Leere geht, sondern eine Adresse hat, bei welcher der Dank Gehör findet. Und es tut mir gut, mich im Dank nicht allein zu wissen, sondern, dass ich gemeinschaftlich mit anderen Danken kann, gerade im Erntedankgottesdienst.

„Na, heute schon gedankt?“ Danke, für diesen guten Morgen. Danke für jeden neuen Tag. Danke, dass ich all meine Sorgen auf dich werfen mag. Das tut so gut, dieses Lied zu singen und mit einem Mal bekomme ich einen neuen Blick auf mein Leben, wenn ich wieder einmal nicht weiß, welchen Joghurt ich aus dem Kühlregal nehmen soll.

Mit herzlichen Grüßen für Sie und Ihre Lieben – Ihre Pfarrerin Evelin Franke

Andacht für Juli, August und September 2023

Urlaubs-Zeit

„Was macht ihr denn dieses Jahr im Urlaub?“

Was macht ihr denn dieses Jahr im Urlaub? Unsicher schaue ich den Frager an: „Wir machen im Urlaub … Urlaub natürlich und sonst nichts!“ Unverständnis schlägt mir entgegen, weil man im Urlaub angeblich etwas machen muss, weil man die wertvollste Zeit im Jahr nutzen muss, weil man etwas erleben und verreisen muss. Urlaub will geplant, strukturiert und ausgekostet sein, höre ich aus dem Gespräch heraus und verstehe es nicht.

Urlaub ist für mich anders. Alles im Leben hat seine Zeit, wie man in Prediger 3 nachlesen kann und nach der Zeit für Arbeit und Mühen und Pläne und To-do-Listen ist Urlaub für mich die Zeit, einmal auf all das zu verzichten. Im Urlaub möchte ich Zeit haben und morgens planlos aufstehen und mich vom Tag überraschen lassen.  Ich möchte Zeit für ein langes Frühstück mit der Familie und spontane Einfälle haben. Im Urlaub möchte ich die Füße in einem Bach und meine Seele in Gottes guter Welt baumeln lassen.

Das Wort Urlaub bedeutete ursprünglich Erlaubnis und stand für die Erlaubnis des Arbeitgebers, sich eine Zeit lang von der Arbeit zu entfernen. Heute ist diese Erlaubnis selbstverständlich geworden und deswegen bedeutet Urlaub für mich, die normalen Bahnen meines Lebens zu verlassen und einfach in dieser wunderbaren Zeit das zu tun, was mir gerade ganz spontan gefällt und gut tut.

Und wenn das gelingt, dann geht es mir mit meiner Urlaubs-Zeit so, wie es der Prediger am Ende seine Auflistung von den Lebenszeiten schreibt:

„Da merkte ich, dass es nichts Besseres gibt als fröhlich sein und sich gütlich tun in seinem Leben. Denn ein jeder Mensch, der da isst und trinkt und hat guten Mut bei all seinem Mühen, das ist eine Gabe Gottes.“ (Prediger 3, 12 – 13)

Einen schönen Urlaub wünscht Ihnen und Ihren Lieben

Evelin Franke

Und vergessen Sie nicht: Am 7. Tag der Schöpfungsgeschichte ruhte Gott sich auch aus. Vielleicht legte er sich in eine Hängematte und ließ sich selbst einen guten Mann sein 😊

Ihre Pfarrerin E. Franke

Andacht für Mai und Juni 2023

Wie lieblich ist der Maien…

so beginnt das bekannte Lied, das Martin Behm 1606 erstmals veröffentlichte. Wir kennen dieses Lied meist auswendig…

 

Ist der Mai lieblich? Jeder Mai ist anders. Er kann mit sommerlichen Tagen glänzen. Der Wonnemonat kann aber mit den Eisheiligen auch den Winter zurückbringen. Jeder Mai ist anders. Wie er wird, haben wir nicht in der Hand. Dem Wetter sind wir ausgeliefert. Das passt nicht recht zu dem Selbstverständnis, das wir gern von uns pflegen. Ich meine die Idee, dass man alles im Griff hat.

Es steht nicht alles in unserer Hand. Schon das Wetter kann uns trotz all der wohlentwickelten Technologien einen Strich durch unsere Rechnung machen. Und dies nicht nur im launischen April. Die Grenzen unserer Kontroll- und Einflussmöglichkeiten führt uns das Wetter in jeder Jahreszeit vor Augen. Es mahnt ausgerechnet uns mit unserer manchmal weltweiten Vernetzung daran, wie klein doch im Grunde der menschliche Wirkungs- und Wirksamkeitskreis ist.

Unsere Wirkungskreise, die Kreise unserer Wirksamkeit unterscheiden sich. Wenige sind von imponierender Reichweite, viele werden als zu beschränkt empfunden. Unsere Wirkungskreise, die Kreise unserer Wirksamkeit, sie verändern sich zudem im Lauf des Lebens. Letztlich bleiben sie alle klein. Das mag zu unserem Selbstbild passen oder nicht. Der menschliche Spielraum bleibt trotz aller erstaunlichen Möglichkeiten begrenzt. Allerdings: Wir leben nicht mehr – wie der Dichter der Zeilen „Wie lieblich ist der Maien aus lauter Gottes Güt‘, des sich die Menschen freuen, weil alles grünt und blüht“ – im 16./17. Jahrhundert. Unsere Lieder klingen anders. Oft weniger getragen. Und sicher am 1. Mai, am Tag der Arbeit, auch mitreißender. Vielleicht blicken wir gerade, weil unsere Lieder so anders klingen, mit Neugier auf die Lieder von früher. Was hatten die Menschen damals zu sagen, kann man fragen. Und: Haben sie vielleicht uns noch etwas zu sagen?

 

Das Lied ist auch gleichzeitig ein Gebet. „Herr lass die Sonne blicken, ins finstre Herze mein…“Ob wir noch so beten können, weiß ich nicht. Viele bringen wohl noch immer Gottvertrauen wie Behm auf, einfach weil sie erfahren, dass ihnen allein aus eigener Kraft nichts gelingt. Anderen ist das nicht möglich. Sie brauchen das Wissen von der eigenen Effektivität, die Freude an den eigenen Resultaten als Lebenselixier. Manche schließlich brennen aus unter der Last der eigenen Ideale. Unser altes Kirchenlied steht zu solchen Idealen im Kontrast. Vielleicht in einem heilsamen Gegensatz.

Es lädt dazu ein, den Gott, dessen Wirkungskreis unseren übersteigt, als Helfer hinzuzubitten. Gott wird als Helfer angerufen, damit mitten im Kreis menschlicher Wirksamkeit und sehr wohl auch dank unserer Kraft die Pflanzen blühen, an denen wir uns freuen. Unsere Arbeit wird durch diesen Helfer nicht entwertet. Sie wird aufgewertet. Gilt sie doch als derart kostbar, dass ihr Gelingen sogar dem Schöpfer ans Herz gelegt wird.

Als Wonnemonat gilt der Mai, der mit dem Tag der Arbeit beginnt und uns zahlreiche Feiertage beschert. Zum Paradies macht er die Erde damit nicht. Hoffnungen lässt er zwar sprießen. Garantien stellt er nicht aus. Jeder Mai ist anders. Er langweilt jedenfalls nicht. Das Vogelgezwitscher im Mai weckt uns oft früher. Neue Gelegenheit bietet der liebliche Mai. Zum Innehalten, zum Wirksamkeit- Wagen. Und zur Hoffnung auf den, dessen Wirkungskreis die unseren weit übersteigt.

Eine gesegnete und erfüllte Zeit wünscht Ihnen Ihre Pfarrerin Evelin Franke

 

Andacht für März und April 2023

Monatsspruch April: „Christus ist gestorben und lebendig geworden, um Herr zu sein über Tote und Lebende. Römer 14,9

Liebe Gemeine, dieses Wort aus dem Römerbrief gehört zur Liturgie im Trauergottesdienst. Bei jeder christlichen Trauerfeier gehört dieses Wort zum Abschiednehmen dazu.  – Genauso bekennen wir im Glaubensbekenntnis: Christus …am dritten Tage auferstanden von den Toten, aufgefahren in den Himmel. Er sitzt zur Rechten Gottes. Von dort wird er kommen zu richten, die Lebenden und die Toten… Dieser Satz ist eine hoffnungsvolle und zukunftsweisende Aussage unseres Glaubens.

Der Monatsspruch sagt es: Jesus Christus, er ist nicht nur lebendig geworden und gestorben, so wie es das Schicksal ist von allem, was lebt. Nein, er ist auch gestorben und wieder lebendig geworden. Er hat den Horizont überschritten und ist in dieses Land gereist, das uns verschlossen bleibt. Er hat besucht, die dort wohnen und gesehen, was unseren Augen verschlossen bleibt.

Die Bibel schenkt uns Bilder von dem, was auf der anderen Seite ist. Bilder, die wir uns ausmalen können, die wir weiterträumen können.

Gott selbst wohnt dort. Er selbst macht groß, die gering geachtet waren. Traurigen wischt er die Tränen ab. Schmerz, Leid und Geschrei sind vergangen. Verschwunden ist die Grenze, die uns trennte. Da ist Leben in Fülle, das bleibt.

Wir dürfen uns in diesen Bildern bewegen, sie reichen schon jetzt in unsere vergängliche Zeit. Und sie schenken uns Hoffnung für die, die schon gegangen sind.

Jesus Christus, der im Diesseits war und im Jenseits, er verbindet uns miteinander. Ich stelle mir vor, wie er auf der Grenze steht, die allein er überbrückt. Eine Hand reicht er uns, die wir auf der Erde wohnen, die andere reicht er denen, die vor uns gegangen sind, deren Zuhause der Himmel ist. So schließt er den Lebenskreis über den Tod hinaus.

Wir sind gut aufgehoben, diesseits und jenseits des Horizonts. Bei ihm, der sein Leben mit uns teilt, in der Zeit und in der Ewigkeit.

Mit dieser Zuversicht dürfen wir leben und auch die Schwelle überschreiten.

Ich wünsche Ihnen und Ihren Familien eine gesegnete Zeit.

Ihre Pfarrerin Evelin Franke